4 Trauerphasen nach Verena Kast
Mittels Beobachtung der Träume von Trauernden, die ihrer Ansicht nach den Trauerprozess einleiten und an welchen sie die Entwicklung des Trauerprozess abliest, entwickelt sie sie in Anlehnung an Johan Bowbly ein Modell der 4 Trauerphasen.
1. Die Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens
Die Nachricht des Todes löst einen „Gefühlsschock“ aus. Der Verlust wird geleugnet, kann nicht realisiert werden und die eigenen Emotionen können nicht wahrgenommen werden. Die trauernde Person scheint empfindungslos und fühlt sich oft selbst „wie tot“. Die körperlichen Reaktionen können alle Symptome eines Schocks (schneller Pulsschlag, Schwitzen, Übelkeit, motorische Unruhe) sein. Die Phase dieses Zustandes kann von einigen Stunden bis zu etwa einer Woche andauern, im Falle eines plötzlichen Todes kann sie noch länger anhalten.
2. Phase der aufbrechenden Emotionen
In dieser Phase taucht der Trauernde in ein regelrechtes Gefühlschaos: Wut, Trauer, Angst, Zorn, Schmerz, Niedergeschlagenheit, Schuldgefühle, u. v. m. stellen sich ein. Welche Emotionen sich mischen oder überwiegen, hängt stark von der Persönlichkeit des Betroffenen ab, so reagieren z.B. Ängstliche mit Angst, Choleriker mit Zorn, usw. Diese Stimmungslabilität kann im Kontakt mit anderen schnell zur Schwierigkeit werden, von einem Begleiter wird hier viel Geduld und Fingerspitzengefühl, sowie ein gewisses Maß an Abgrenzung gefordert. Die Ohnmacht des Menschen angesichts des Todes kann nur schlecht eingesehen werden; es treten Schuldgefühle auf, weil man befürchtet, nicht alles getan, etwas versäumt oder unterlassen zu haben, das den Tod hätte verhindern können oder es werden andere Menschen dessen beschuldigt.
3. Die Phase des Suchens und des Sich-Trennens
Beim Verlust eines geliebten Menschen suchen wir zum einen den realen Menschen (Aufsuchen von Orten, die der Verstorbene mochte; in den Gesichtern anderer Menschen nach Zügen des Verstorbenen suchen; Übernehmen von Gewohnheiten des Verstorbenen) und zum anderen Möglichkeiten, Teile der Beziehung zu erhalten (Erzählungen und Geschichten über den Verstorbenen; innere Zwiegespräche mit dem Verstorbenen); eine innere Auseinandersetzung mit dem Verstorbenen findet statt. Dieses Suchen bereitet den Trauernden darauf vor, ein Weiterleben ohne den Verstorbenen zu akzeptieren, keineswegs aber ihn zu vergessen.
4. Die Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs
Im Verlauf der vorhergegangenen Phase wurden Wege gefunden, mit dem Verstorbenen positiv umzugehen. Er wird zu einer Art „inneren Figur“, dies kann sich ausdrücken, indem der Verstorbene als innerer Begleiter erlebt wird oder daran, dass der Trauernde Lebensmöglichkeiten, die zuvor an die gemeinsame Beziehung gebunden waren, in sein eigenes Leben integriert hat. Die Gedanken und Handlungen des Trauernden kreisen nicht mehr ausschließlich um den Verstorbenen, es wird wieder möglich das eigene Leben zu gestalten. Selbstvertrauen und Bezugsfähigkeit wachsen, so dass neue Beziehungen eingegangen werden können und neue Lebensmuster entwickelt werden können, ohne dass der Verstorbene vergessen scheint.
Der Durchlauf der Phasen kann nie stringent und idealtypisch verlaufen und auch nicht einer zeitlichen Begrenzung unterliegen, denn die Art und Weise der Trauerarbeit und Trauerbewältigung hängt neben der Persönlichkeit des Trauernden auch von seiner Beziehung zu dem Verstorbenen und dessen Todesumständen ab. In allen Phasen kann es zu Schwierigkeiten kommen, die sich, wenn keine Unterstützung vorhanden ist, schnell manifestieren können und ein Stagnieren des Trauerprozesses zur Folge haben können.